Stern Tv 16.11.24 öffentlicher Brief an Frau Bär
Sehr geehrte Frau Bär,
Ich schreibe Ihnen, weil ich enttäuscht bin. Ich war am 16. Oktober 2024 bei Stern TV, um über Sexarbeit zu sprechen und warum das Sexkaufverbot die falsche Lösung ist. Sie waren aus Berlin zugeschaltet.
Ihr Auftreten und Ihre Aussagen haben mich tief getroffen. Sie haben über mich und andere Sexarbeitende gesprochen, als wären wir nicht anwesend. Selten habe ich mich so verachtet gefühlt. Meine Kunden verhalten sich hier deutlich respektvoller. Es war hart zu hören, dass Sie uns als krank und geschädigt bezeichnen. Sie haben nicht mit mir und mit uns gesprochen, sondern über mich und über uns – und das in unserer Anwesenheit. Ein respektloseres Verhalten kann ich mir kaum vorstellen!
Sie sagten, dass Sie sich seit zwei Jahren mit dem Thema beschäftigen. Ich denke: nur zwei Jahre? Und schon halten Sie sich für die Oberexpertin? Zwei Jahre haben offenbar nicht gereicht, um zu verstehen, dass das Nordische Modell, das Sie fordern, gescheitert ist. In zwei Jahren haben Sie offenbar nur mit denen geredet, die Ihnen nicht widersprechen. Was Sie gesagt haben, fühlte sich an, als hätten Sie etwas auswendig gelernt. Mir scheint so, als würden Sie nicht begreifen, was hinter der Arbeit steckt, die wir tun, dass wir auch ganz normale Menschen sind, die durch harte Arbeit ihr Geld verdienen.
Zu mir sagen Sie, ich sei eine Ausnahme. Zu den zigtausenden Sexarbeitenden, die hier legal arbeiten, sagen Sie, dass sie nicht wissen, was sie tun. besonder von den Rumäninnen udn Bulgarinnen sagen sie, dass sie das doch eigentlich nicht wirklich wollen. Sie stellen uns hin, als könnten wir nicht denken oder für uns selbst entscheiden. Sie wollen plötzlich für zigtausende, ja, angeblich hunderttausende von Sexarbeitenden sprechen, aber von der Sexarbeit scheinen Sie keine Ahnung zu haben. Im Prinzip sagen Sie, wir sind wie kleine Kinder. Dabei steht im Grundgesetz, das Sie ja so oft zitieren, dass ich und Sie, Frau Bär, exakt gleich viel wert sind. Doch Sie, Frau Bär, wollen meine Arbeit verbieten. Sie wollen also, dass es mir schlechter geht. Warum? Weil es offenbar nicht in Ihren Kopf geht, dass Sexarbeit vielfältig ist und Sie in den zwei Jahren vielleicht noch nicht viel davon wirklich verstanden haben.
Ich komme aus einer Loverboy-Beziehung. Es hat mich Jahre gekostet, mich daraus zu befreien, und Ihre Worte haben sich angefühlt wie ein Schlag ins Gesicht. Meine Geschichte wurde nicht gehört, und meine Arbeit wurde von Ihnen nicht respektiert.
Und noch etwas: Warum waren Sie nicht persönlich da? Haben Sie Angst, einer echten Prostituierten gegenüber zu sitzen? Keine Sorge, wir beißen nicht, und wir sind, anders als oft vermutet, auch nicht ansteckend. Es wäre gut gewesen, sich auf Augenhöhe zu begegnen und eine echte Diskussion zu führen.
Ich erwarte von Ihnen eine Entschuldigung. Es ist in Ordnung, anderer Meinung zu sein, aber man muss sich gegenseitig respektieren. Sexarbeit ist ein wichtiges Thema, und wir verdienen es, dass man uns ernst nimmt. Sie haben mir das Gefühl gegeben, dass meine Arbeit nichts wert ist. Das Grundgesetz sagt etwas anderes.
Im Januar 2021 war ich als Expertin im Landtag bei der Frauenunion der CDU NRW. Dort wurde ich mit Respekt behandelt. Ihre Art bei Stern TV war das genaue Gegenteil.
Ich fordere, dass Sie Verantwortung für Ihre Worte übernehmen. Wir verdienen es, dass man mit uns spricht und uns zuhört.
Mit freundlichen Grüßen,
Nicole Schulze
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